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Taekwondo

Vom Anfänger zum Meister

Ich erinnere mich noch genau, wie ich Taekwondo angefangen habe, vor über 45 Jahren. Damals dachte ich, gerade Weißgurt, einen blauen Gürtel, dass schaffe ich nie. Einmal gar Schwarzgurtträger zu sein, in der ersten Reihe zu stehen, daran wagte ich gar nicht zu denken. Aber eines habe ich mir vorgenommen, wenn ich eine Gürtelprüfung mache dann aber auch nur wenn ich selbst der Überzeugung bin, die nächst höhere Stufe erreicht zu haben.
Ein "Gürteljäger" wollte ich nicht sein und so habe ich pro Jahr nur eine Prüfung abgelegt!


Der Einstieg

Taekwondo ist ein faszinierender Sport, nahezu jede Art der sportlichen Bewegung wird beim Taekwondo ausgeübt. Breitensport für Jung und Alt, Philosophie und Meditation oder moderner Wettkampfsport, der Einzug in den olympischen Zirkel gefunden hat.
 
Eines ist aber fast bei allen asiatischen Sportarten gleich, man erkennt den Stand des Schülers anhand der Gürtelfarbe, wobei die einfache Grundregel gilt, je dunkler die Farbe des Gürtels, desto höher der Grad und somit der Leistungsstand.
 
Meistens fängt man Taekwondo an, weil man sich zu verteidigen lernen möchte und gleichzeitig fit sein will. Die erste Prüfung wird in der Regel mehr aus Jux, denn aus Absicht heraus gemacht. Die Gürtelrangfolge und die jeweiligen Schülergradbezeichnungen sehen so aus: Der Einstieg erfolgt mit dem 10. Kup (koreanische Bezeichnung für Schülergrad), sprich mit dem weißen Gürtel, nach zirka vier Monaten erfolgt die erste Prüfung zum 9. Kup, sprich dem weiß-gelben Gürtel. Hier handelt es sich um einen weißen Gürtel, an dessen Enden gelbe Streifen angebracht sind.

Mit ungefähr diesem zeitlichen Abstand geht es dann von einer Gürtelprüfung zur nächsten:

Weiß   Gürtel  (10. Kup)
Weiß-Gelb  Gürtel  (9. Kup)
Gelb    Gürtel  (8. Kup)
Gelb-Grüner   Gürtel  (7. Kup)
Grüner   Gürtel  (6. Kup)
Grün-Blauer   Gürtel  (5. Kup)
Blauer   Gürtel  (4. Kup)
Blau-Roter   Gürtel  (3. Kup)
Roter    Gürtel  (2. Kup)
Rot-Schwarzer Gürtel  (1. Kup)

 

Nach dem Schülergrad kommen die Meistergrade (schwarzer Gürtel). Hier beginnt die Zählweise mit eins, also 1. Dan, 2. Dan und so weiter. Die letzte mögliche Prüfung, die in Deutschland gemacht werden kann (ansonsten geht es zum "Mekka" des Taekwondo, nach Korea) ist der Großmeistergrad, der 7 Dan. Davon gibt es in Deutschland nur eine Handvoll.

Vom Leichten zum Schweren

Das Schöne am Taekwondo - Prüfungen ist, dass einem der Einstieg wirklich leicht gemacht wird. Es wird nichts verlangt, was nicht im Training gemacht wird. Bei den Anfängergraden werden die Stellungen geprüft sowie einfache Fuß - und Handtechniken. Es geht immer vom Einfachen zum Komplexen, vom Leichten zum Schweren.
Zwei Schwerpunkte gibt es bei allen Prüfungen: Partnerübungen und Poomse (eine stilisierte Form des Kampfes).
Bei den Partnerübungen kommt es darauf an, zu zeigen, dass man die Techniken exakt beherrscht. Je höher der Grad, desto schwieriger die Partnerübungen.
Letztendlich münden diese Partnerübungen einmal zu einem kontrollierten Freikampf und zum anderen in die Selbstverteidigung. Hier muss der Schüler dann zeigen, dass er Techniken auch auf unbekannte Sachverhalte anwenden kann. Auf dem Weg zum Freikampf gibt es feine Abstufungen, um den Perfektionsgrad der Techniken zu überprüfen. So spielen beispielsweise Zielübungen auf eine Pratze (Schlagkissen), die bewegt wird, eine wichtige Rolle. Schlagkraft, Zielgenauigkeit und Abstandsgefühl fließen hier in die Bewertung mit ein.
 
Die andere Säule des Taekwondo ist die Form, Poomse genannt. Bei der Poomse handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Techniken, einen Kampf gegen einen imaginären Gegner. Auch hier gilt mehr oder weniger die Regel: je höher der Grad des Schülers, desto schwieriger die Abläufe der Form.
 
Ziel der Poomse ist, einen stilisierten Kampf gegen einen und auch mehrere Gegner darzustellen. In einer Poomse finden sich viel Metaphern. Einen festen, großen und wuchtigen Gegner, der wie ein Sturm über dich herfällt, kann nicht mit brachialer Kraft, sondern nur mit Nachgiebigkeit besiegt werden. "Beuge dich wie eine Weide im Wind, lass den Sturm über dich hinwegrauschen und richte dich danach wieder auf, um für die nächste Situation bereit zu sein". Dahinter versteckt sich eine Kinderweisheit: ein kleiner Schuljunge wird von dem Klassenrüpel angegriffen. Jener weicht nur minimal aus, lässt vielleicht sogar noch sein Bein stehen, so dass der Große darüber stolpert.
 
Dieses Prinzip, das Harte gegen das Weiche, zieht sich durch jede Form (Poomse), durch das ganze Taekwondo. Von der ersten Taekwondo - Stunde an lernt der Schüler, dass man mit roher Kraft nichts ausrichten kann. Köpfchen und Disziplin sind verlangt, um andere zu besiegen. Damit eignet sich Taekwondo auch in idealer Weise als Selbstverteidigungssystem für Frauen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei einem Anfängerkurs rund die Hälfte Frauen sind. Auch bei den Gürtelprüfungen (auch in den höheren Rängen) ist dieser Trend feststellbar.
 
Während beim Kampf insbesondere die jüngeren Sportlerinnen und Sportler gefordert sind, kann die Poomse bis ins hohe Alter hinein ausgeführt werden. Bei der Poomse ist es oft sogar so, dass die Ästhetik und die Feinheit der Bewegungen von den älteren Sportlern besser "rüber gebracht" wird, als von jungen, ungestümen Sportlern. Poomse hat auch etwas mit Reife zu tun.
Bei einer Gürtelprüfung sind Geschlecht, Konstitution und insbesondere das Alter in besonderem Maße zu berücksichtigen. Dies führt oft zu Missverständnissen, besonders bei jungen und noch nicht höher graduierten Schülern. Denn mit der (scheinbar) gleicher Leistung kann ein jüngerer Sportler durch eine Gürtelprüfung fallen, während hingegen sein wesentlich älterer Kollege eine Belobigung für sein Können erhält.

 

Der Meister

Der Sprung vom Schüler zum Meister ist ein richtiger Einschnitt in einem "Taekwondo - Leben". Dieser Sprung ist weit und schwer. Zirka 50 Prozent benötigen einen zweiten Anlauf. Woher rührt nun diese Schwierigkeit (Vorbereitung vorausgesetzt)? Bei einer Kup-(Schüler-)Prüfung wird nicht Perfektion in jeder Situation erwartet. Man kann hier durchaus eine Schwäche mit einer Stärke ausgleichen.
Nicht so bei einer Dan-(Meister oder Schwarzgurt) Prüfung. Hier muss der angehende Schwarzgurtträger in jedem Fach ein gewisses Mindestmaß an Können aufweisen. Ein Ausgleich ist nicht möglich. Auch wenn der Prüfling in bestimmten Fächer (Selbstverteidigung, Partnerübungen, etc.) außergewöhnlich gut ist, darf er sich in anderen Fächern keinen "Schnitzer" erlauben.
 
Die schwierigste Meisterprüfung ist wohl die zum dritten Dan. Bis dahin hat man ungefähr zehn Jahre Taekwondo "auf dem Buckel". Die Prüfung zum dritten Dan ist die letzte echte Leistungsprüfung. Hier darf sich der Prüfling in keinem Fach eine Schwäche erlauben. Alle Techniken müssen exakt, präzise und kraftvoll sein und entsprechend der Situation im richtigen Zusammenhang angewendet werden. So muss sich der Prüfling beispielsweise in der Disziplin Selbstverteidigung frei gegen mehrere Gegner mit und ohne Waffen währen können, ohne dabei gegen den Selbstverteidigungsparagraphen zu verstoßen - falls man dagegen verstößt, fällt man durch die Prüfung. Träger/innen des dritten schwarzen Gürtels (3. Dan) können auf ihre Leistung stolz sein.
 
Nach dem dritten Dan kommen die Lehrer- und Großmeistergrade. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Vermitteln des Taekwondo. Träger solcher hohen Meistergrade sind durch die Bank Trainer oder Lehrer und können in der Regel auf mindestens 20 Jahre Taekwondo zurückblicken.
 
Heute habe ich den 6. Dan und über 37 Jahre Taekwondo hinter mir, aber mich beschleicht immer noch das Gefühl, erst am Anfang des Taekwondo zu stehen.
Denn im Leben lernt man nie aus, sondern immer etwas dazu!
Das gesamte Leben ist ein großer Lernprozess!


Gesellschaftlicher Stellenwert

Sozusagen als Nebeneffekt werden beim Taekwondo mehrere Fähigkeiten erlernt bzw. verfeinert, die man sich auf andere Weise nur mühsam aneignen kann. So ist Taekwondo beispielsweise neben der Verbesserung der Koordinationsfähigkeiten und der Bewegungsmotorik auch hervorragend dazu geeignet, die Konzentration, die körperlichen Fitness, das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl erheblich zu steigern.

 

Taekwondo und Kinder
Schon alleine wegen dieser positiven Aspekte ist Taekwondo besonders dazu geeignet, die Entwicklung von Kindern in körperlicher und geistiger Hinsicht zu fördern. Es gibt aber auch noch andere Gründe, weshalb sich Taekwondo als eine Art Erziehungshilfe herauskristallisiert hat. Von der ersten Stunde an wird den Kindern klar gemacht, dass die Fairness zum obersten Prinzip gehört. Die Kinder lernen sehr schnell, dass man die Schwäche eines anderen nicht ausnutzt.

Da die Farbe des Gürtels beim Taekwondo - Sport ein äußeres Zeichen des Könnens symbolisiert, ist jedes Kind - und selbstverständlich auch jeder Jugendliche oder Erwachsene - bestrebt, an der nächsten Gürtelprüfung teilzunehmen. Um die Prüfung zu bestehen, lernen Kinder ganz schnell, dass man sein Ziel erreichen kann, wenn man sich dafür einsetzt. Viele Eltern können ein Lied davon singen, denn nicht selten werden vor Gürtelprüfungen die Sesselgarnituren verschoben, damit das Kind im Wohnzimmer genug Platz zum Üben hat.

 

Taekwondo als Schulsport
Nicht ohne Grund wurde Taekwondo in einigen Bundesländern für den Differenzierten Sportunterricht (DSU) zugelassen. Mit der Zusammenarbeit der Eltern und der TKD Verbänden konnte man das Kultusministerium von der positiven Seite des Taekwondo überzeugen, und der Zugang in den Turnhallen der Schulen wurde möglich. Es spricht für die flexible und offene Art des Ministeriums, dass man dort bereit war und ist, zum Wohle der Kinder neue Wege zu gehen.

 

Taekwondo in der Justizvollzugsanstalt
Nach viel Überzeugungsarbeit bei den Skeptikern wurde auch schon in einigen JVA´s Taekwondo - Kurse durchgeführt.
Das Ergebnis des Projektes übertraf alle Erwartungen. Bereits nach den ersten Trainingseinheiten stellte die Diplom-Psychologen der JVA fest, dass bei den Frauen und Männern eine ruhigere und zufriedenere Umgangsart sich breit machte. Sie bestätigten ferner, dass sie seit dem Training viele Gespräche führen konnten, die vorher undenkbar waren.


Vergangenheit

Wenn man es genau nimmt, ist Taekwondo eine relativ junge Sportart. In der heute betriebenen Art wurde diese Kampfkunst nämlich erst vor etwas mehr als 40 Jahren "entwickelt". Die Ursprünge des Taekwondo liegen aber dennoch in der historischen Frühgeschichte Koreas, das sich vor ca. 2000 Jahren aus den Königreich Koguryo, Paekche und Silla zusammensetzte. Überlieferungen zufolge übten sich die Soldaten der damaligen Zeit in der waffenlosen Kampfkunst, dem sogenannten Subak. Im wesentlichen handelt es beim Subak um eine spielerische Art des unbewaffneten Kampfes, das auch in der einfachen Bevölkerung regen Zuspruch fand.
Das Hauptaugenmerk wurde hierbei jedoch nicht so sehr auf die Kampftechnik gelegt, sondern diente vielmehr dem gesundheitlichem Aspekt, der Körperertüchtigung und natürlich auch der Selbstverteidigung.
Im Gegensatz zum damals auch in Europa betriebenem Zweikampf war aber beim Subak nicht nur der Einsatz der Fäuste erlaubt, sondern auch alle anderen Körperpartien, wie beispielweise das Knie. Im Laufe der Zeit entwickelten sich immer akrobatischere Techniken, die mit den Füßen, Ellbogen und Händen ausgeführt wurden.
 
Im Jahre 630n Chr. Wurde im Königreich Silla die Organisation Hwa Rang gegründet, der sowohl der Adel als auch hochrangigen Personen angehörten. Um die drei Königreiche zu vereinen, brauchte man eine schlagkräftige Truppe. Aus diesem Grunde widmeten sich die Ritter aus Silla dem Studium der Kampfkünste, um sowohl ihren Körper als auch ihren Geist zu trainieren. Dem Samguk-Yusa zufolge, einem koreanischen Geschichtsdokument, soll es sich bei diesen Kampfkünsten um die Grundform des heutigen Taekwondo gehandelt haben. Im Jahre 668n Chr. gelang die Vereinigung der drei Königreiche unter der Führung der Hwa Rang und unter Hilfe von befreundeten chinesischen Truppen.
 
Aus allen bekannten und von Generation zu Generation überlieferten Techniken entwickelte sich bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts das Takyon, dem Vorläufer des heutigen modernen Taekwondo, bei dem das Hauptaugenmerk auf die Fußkampftechniken gelegt wurde. Auch von diesem Kampfstil entwickelten sich im Laufe der Zeit neue Stilrichtungen.
 
Von 1909 bis 1945, also während der japanischen Besatzungszeit, wurde die Ausübung aller koreanischen Kampfkünste verboten. Bereits ein Jahr nach der Befreiung gab es die ersten Versammlungen der größten Kampfsportschulen, bei denen versucht wurde, alle Kampfstile zu vereinen. Im April 1955 einigten sich die führenden Kampfsportexperten auf den Namen Taekwondo.
 
Die ersten Leiter der Organisation erkannten die Möglichkeiten für die Verbreitung und das Wachstum dieser Sportart und benutzten ihre Autorität, um Lehrer und Demonstrationsgruppen in die ganze Welt zu schicken.
Unter den bekanntesten Großmeistern die Taekwondo in Europa speziell in Deutschland bekannt gemacht haben, waren Großmeister
KWON JAE HWA und General CHOI HONG HI.
 
Auch mit den in Deutschland stationierten Amerikanern wurde der Taekwondo - Sport nach Deutschland importiert und fand schnell eine relativ kleine Anhängerschaft, die ihre neue Sportart fanatisch betrieb und mit einem, missionarischem Eifer die Werbetrommel rührte.
 
Im Herbst 1965 besuchte eine koreanische Taekwondo - Delegation verschiedene deutsche Städte, und führte unter den ungläubigen Augen der deutschen Medien die neue Sportart vor. Die meisten Journalisten waren offensichtlich von den blitzschnellen und zugleich präzise ausgeführten Bewegungen fasziniert, allerdings konnten sie sich keinen Reim darauf machen, weshalb ziemlich schmächtige Koreaner markerschütternde Schreie ausstießen, um danach dicke Bretter mit den Händen und Füßen durchzuschlagen.
Entsprechend zynisch fielen die meisten Kommentare aus.
 
Im September 1968 wurde Taekwondo beim Deutschen Judo Bund (DJB) als eine Sektion aufgenommen, bereits zwei Monate später fand in München die erste offizielle Deutsche Taekwondo - Meisterschaft statt, an der damals übrigens nur Männer teilnehmen durften. Erst ab 1975 gab es für die Frauen die Möglichkeit, bei Deutschen Meisterschaften an den Start zu gehen.
 
Im Mai 1973 wurde in der Sportarena des Kukkiwon, dem Taekwondo - Zentrum der World Taekwondo Federation (WTF), die erste offizielle Weltmeisterschaft der Herren ausgetragen, seit dieser Zeit werden diese im zweijährigem Rhythmus wiederholt. Seit 1979 gehen auch Frauen bei Weltmeisterschaften an den Start.
 
Als Sektion des Deutschen Judo Bundes führte Taekwondo einige Jahre ein Schattendasein. Dieses änderte sich erst 1971, als Heinz Marx den deutschen Verband mit damals 525 Mitgliedern übernahm und beharrlich für den Aufbau sorgte.
Trotz der Initiative von Heinz Marx herrschte in Deutschland ein verbandspolitisches Desaster. Wegen der Profilierungssucht vieler Kampfsportler wurden unzählige Verbände ins Leben gerufen - die allerdings auch ebenso schnell wieder in der Versenkung verschwanden.